Wenn ich in aller Ruhe die Straßen und Plätze von Gasteiz überquere,
um wie jeden Tag zur Arbeit zu gehen oder meine Freunde zu sehen,
überlege ich, plötzlich erschrocken,
dass dies hier jetzt zu tun,
gewiss an vielen Tagen gefährlich werden kann,
und meinen Blick auf die Höhe der Häuser gerichtet veranschlage ich,
das Auge ruhig und unschlüssig die Seele,
was für einen Platz der Freischärler wählen wird,
woher die Kugel kommen wird,
dass mein Kopf sich in eine dunkle Blüte aus Blut verwandeln wird,
weil dieser allzu weite Platz verdächtig erscheint. Diese Straße.
Dieser Park umgeben von hohen Gebäuden.
Ich habe mir sagen lassen, in den Parks von Sarajevo
gebe es längst keine Bäume mehr,
weil die Bewohner alle fällten, um ihre Wohnungen zu heizen,
und ich überlege, plötzlich erschrocken,
dass ich in meinem Haus keinen rechten Platz habe, um ein Feuer zu machen.
Noch dazu sind in meiner Straße viele öffentliche Gebäude,
und da Regierungsstellen normalerweise wichtig sind
in Kriegszeiten,
überlege ich, plötzlich erschrocken,
dass sich meine Straße vielleicht schon in eine Kampfzone verwandelt hat,
und es ist gut möglich, dass es bereits zerstört ist,
mein Haus in Sarajevo.
Wie findet es sich damit zurecht, mein Ich, das in Sarajevo ist?
Geht es noch zur Arbeit? Oder ist es gar
schon eine Weile her, dass diese alltäglichen Gewohnheiten verschwunden sind?
Und ich überlege, plötzlich erschrocken,
dass die Schulen bestimmt geschlossen sein werden
und dass meine überdies auf der anderen Seite der Bahngleise ist, nahe beim Bahnhof,
und dass Bahngleise und Bahnhöfe anscheinend Orte sind, die man kontrollieren muss
in Kriegszeiten.
Sehr lange auf Briefe warten, die nicht ankommen
Und keine anderen, neue schreiben können.
Wie gehe ich einkaufen in Sarajevo?
Seit ein Kilo Kartoffeln zehn Mark kostet
Verbringe ich die Zeit mit zuzählen und abziehen
Aber die Ergebnisse haben immer Hunger.
Und ich überlege, plötzlich erschrocken,
dass der Hunger, die Kälte, das Entsetzen, die Schlangen, das Unglück
nur allzu gewöhnliche Bräuche sind
In Kriegszeiten.
Die Stadt ist schon geteilt,
die inneren Grenzen sind Wunden,
und dieses Blut ist keine Metapher,
dort drüben auf der anderen Straßenseite die Feind Freunde
auf dieser Seite der Brücke die Freund Feinde.
Wie habe ich mich zurechtgefunden mit dem, was mir zugestoßen ist?
Und ich überlege, plötzlich erschrocken,
dass meine Mutter im Osten lebt und ich im Zentrum
und dass die beiden Stadtviertel wie auch das meines Bruders sich entfernen
in Kriegszeiten,
und dass solche Teilungen unvorhersehbar sind und grausam,
wenn ich hier bin, dann deshalb, weil ich diese Nacht zum Essen blieb in deinem Haus.
Um Gasteiz herum gibt es viele
gute Plätze, um die Artillerie aufzustellen,
vielleicht in Zaldiarán, und vielleicht sind die Berge Vitorias
nicht so eindrucksvoll wie der Illidza,
aber die Bomben können von hier abgefeuert sehr wohl ihre Arbeit tun.
Und später beginnt man zu laufen, immer vorwärts, mit dem Gepäck auf dem Buckel,
Städter ohne Stadt,
im Sommer unter der drückenden Hitze, im Winter über das Eis,
verloren auf den Wegen, die nirgendwohin führen,
auf der Suche Schutz, den es nicht gibt, nirgendwo.
Das Ziel ist, am Leben zu bleiben, bis sie die Friedensverträge unterschreiben.
Der Teufel schreibt hoffentlich keine weitere 6.
© Rikardo Arregi Diaz de Heredia